Kultur in Südafrika

Kultur in Südafrika

Kultur in Südafrika – Regenbogennation, kosmopolitisches Miteinander oder Nebeneinander der Kulturen? Ein kleiner Abriss über Geschichte und Gegenwart

Deutsche, französische, italienische Kultur. Für mich verbindet sich damit ein mehr oder weniger klares Bild der kulturellen Identität eines Landes, das sich aus der gemeinsamen Geschichte, Sprache und Kunst formt. Wie aber sieht die Kultur eines Landes aus, in der es alleine 11 Amtssprachen gibt?

Die wichtigsten Einflüsse auf die südafrikanische Kultur

Die südafrikanische Kultur, oder sagen wir lieber die südafrikanischen Kulturen, sind von der Siedlungsgeschichte des Landes und der Apartheid bestimmt.

Ursprünglich wurde das Land von den San bewohnt. Ab dem 16 Jh. zogen die Nguni-Stämme (Zulu, Xhosa, Swazi und Ndebele), sowie die Sotho von Zentralafrika gen Süden. Im 17 Jh. kamen dann in mehreren Schüben Europäer nach Südafrika, zunächst die Niederländer im Dienst der Vereinigten Ostindien-Kompanie. Sie benötigten auf dem Weg zwischen Europa und Südostasien eine Versorgungsstation. Es folgten Franzosen, genauer gesagt Hugenotten, die vor der Vertreibung im eigenen Land flohen. Ab 1795 betraten die Engländer die südafrikanische Bühne auf der Suche nach Bodenschätzen. Als im 19 Jh. der Bedarf an Arbeitskräften rapide anstieg, wurden Inder und Chinesen als Kontraktarbeiter angeheuert – von denen viele blieben.

Ab 1948 begann die Zeit der Apartheid, der strikten Rassentrennung, die erst 1991 endete. Jede Ethnie wurde streng voneinander getrennt. Menschen wurden in neue Wohngebiete umgesiedelt. Eine Beziehung zwischen verschiedenen „Rassen“ war nicht erlaubt. Schwarze hatten keinen Zugang zu höherer Bildung. An Bushaltestellen oder Stränden gab es Bereiche für Weiße und Schwarze.

Mit den ersten freien Wahlen von 1994 wurde der Weg für ein neues Südafrika bereitet. Nelson Mandelas Credo der Versöhnung, Anti-Diskriminierungsgesetze und Anti-Rassismusprogramme sind die Grundlagen für ein neues Miteinander – schaffen aber auch wieder ganz neue Probleme.

Unterdrückung und Entwicklung von unterschiedlichen Kulturen

Heute haben wir oft das Bild der Regenbogennation, der von Desmond Tutu geprägte Begriff für Südafrika, vor Augen. Lange hat es gedauert, bis sich ein Nebeneinander – ja vielleicht sogar Miteinander – der Kulturen entwickelte. Auseinandersetzungen zwischen Stämmen (vor allem unter Shaka Zulu), zwischen Weißen und Schwarzen (Vortrekker vs. Zulu), und zwischen Weißen und Weißen (Burenkrieg) prägten bis zu Beginn des 20 Jahrhundert die südafrikanische Geschichte.

Die weißen Siedler unter der Vorherrschaft der Niederländer bauten sich eine neue Identität als „Afrikaaner“ mit einer eigenen Sprache, Afrikaans, und einem eigenen Nationalgefühl auf.

Die kulturelle Identität von Ndebele, Zulu oder Xhosa versuchten die Weißen während der Zeit der Vortrekker und der späteren Apartheid zu unterdrücken.

Wo kann man die verschiedenen Elemente der Kultur in Südafrika Kultur heute erleben?

Architektur, Essen, Sport, Kunst – in vielen Bereichen spürt man ganz klar den Einfluss bestimmter Volksgruppen. Teilweise ist dieser Einfluss sehr regional begrenzt – teilweise sind es aber das ganze Land prägende Elemente.

Die schönsten Zeugnisse der Niederländer sind die Bauten im kapholländischen Stil, die in Kapstadt und Umgebung errichtet wurden. Prachtvolle, weiß getünchte Anwesen mit Reetdächern.

Vergelegen als Beispiel kapholländischer Kultur in Südafrika

Franschhoek, „Die Ecke der Franzosen“, wurde von Hugenotten besiedelt, die Reben und ihre Kenntnisse im Weinanbau mitbrachten. Heute gilt Franschhoek als eine der Wein- und Gourmethochburgen des Landes.

Der Einfluss der Engländer ist in alles Lebensbereichen (u.a. Englisch als die zweitwichtigste Sprache des Landes, Linksverkehr, edwardianischae und viktorianische Bauten) spürbar. Besonders beeinflusst haben die Briten das Sportleben. Cricket und Rugby sind die beiden Nationalsportarten des Landes – und noch immer ein typisch „Weißer“ Sport, während die dritte Nationalsportart Fußball vor allem „Schwarze“ Anhänger hat. Ein heißes Thema übrigens im Zuge der Weltmeisterschaft von 2010. Stadien wurden in weiß geprägten Regionen gebaut, die für Schwarze auf Grund mangelnder Verkehrsinfrasturktur nur schwer zu erreichen sind. So wird das Green Point Stadium in Kapstadt heute auch oft als „White Elephant“, als Fremdkörper, in der Stadt bezeichnet (ein wunderschöner allerdings!).

Fußballstadium in Kapstadt

Der Einfluss der Indischen Kultur ist am stärksten in Durban zu spüren. Etwa eine Million Indischstämmige leben im Großraum Durban. Sie haben Hindutempel und Moscheen errichtet. Bieten auf dem Victoria Street Market indische Gewürze und Kleidung an und feiern farbenfrohe Feste und Umzüge.

Die Kultur der afrikanischen Stämme versuchte man über Jahrhunderte zu unterdrücken. Nach dem Ende der Apartheid haben sich die Menschen zum Glück wieder auf ihre kulturellen Wurzeln besonnen. Oftmals in „Cultural Villages“ wird versucht, das Erbe zu bewahren. Ein Beispiel hierfür sind die Museumsdörfer der Ndebele in der Provinz Mpumalanga, in denen die farbenprächtige Architektur und die Lebensweise der Ndbele lebendig erhalten werden.

Ndebele in Südafrika

Regionenübergreifend aber ist die ungemein aktive, vielfältige Kunstszene in Südafrika. Nachdem schwarze und weiße Kunst während der Apartheid getrennt wurde, begreifen Künstler Kultur als ein Mittel der Vergangenheitsbewältigung – und als Möglichkeit, eine neue gemeinsame südafrikanische Identität zu schaffen. Stellvertretend hierfür die zwei wohl bekanntesten Beispiele. J.M. Coetzee – Schandegibt mit dem Roman „Schande“, ein vielschichtiges Porträt Südafrikas nach dem Ende der Apartheid. Auf faszinierende Art zeigt der Film “uCarmen eKhayelitsha“ die Geschichte einer HIV positiven Prostituierten in einem Kapstädter Township. Gesungen in Xhosa zur Musik von George Bizet.

Südafrika heute: Regenbogennation oder Nebeneinander vieler Kulturen?

Wie man an den Einflüssen der jeweiligen Gruppen sehen kann, ist es schwer von einer „südafrikanischen Kultur“ zu sprechen. „Afrikanische“, indische, holländische, englische und französische Elemente verbinden sich zu einem gewissen Grad. In so kosmopolitischen Stadtvierteln wie Maboneng in Johannesburg spürt man, wie sich die Menschen, allen voran die Künstler, gegenseitig befruchten und ein neues Miteinander schaffen.

In ländlichen Regionen aber ist eine deutliche Trennung der Kulturen zu spüren. Sprache ist nur ein Indiz dafür. Bei meinem letzten Besuch in der Kapregion im Mai 2015 schien es mir so, als würde Afrikaans wieder verbreiteter gesprochen. Als ich einen Bekannten, einen weißen Südafrikaner daraufhin ansprach, bejahte er es. Weiße, die sich lange nicht getraut hätten, das als Sprache der Unterdrücker verstandene Afrikaans zu sprechen, würden ihre Muttersprache nun wieder verstärkt nutzen.

Eines der interessantesten Beispiele vom Miteinander – oder vielleicht auch der Frage nach der Dominanz einer Kultur – finde ich das gerade im Entstehen befindliche Museum für zeitgenössische Kunst, The Zeitz MOCAA Cape Town. Es versteht sich ausdrücklich als Museum für Afrika. „Zeitz MOCAA will constitute a re-imagining of a museum within an African context: celebrate Africa preserving its own cultural legacy, writing its own history and defining itself on its own terms.” Ein deutscher Sammler, Jochen Zeitz, hat als Kurator einen weißen Südafrikaner, Mark Coetzee, eingesetzt. Eröffnet wird das Museum mit einer Ausstellung eines Künstlers aus dem Swaziland, Nandipha Mntambo.

Kultur in Südafrika – das ist beides, ein verbindendes Elemente, das eine neue Idendität schaffen kann, aber auch ein trennendes Element, das Südafrikaner unterschiedlicher Ethnien voneinander trennen kann. Spannend wird es sein, die Entwicklung der nächsten Jahre zu beobachten. Wird es eine weitere Vermischung der Kulturen geben – oder wieder eine stärkere Trennung?

Bilder: Südafrikanisches Fremdenverkehrsamt (Ndebele) und Daniela Köster

Mit diesem Artikel nehme ich an der Blogparade Kultur ist für mich teil.

8 Kommentar(e)

  • Ulrike sagt:

    Sehr interessanter Artikel. Von Südafrika weiß ich viel zu wenig. Anfangs versuchte ich beim Lesen Paralellen zu China zu sehen, denn in China leben 55 anerkannte nationale Minderheiten und noch viel mehr Völker mit ihren eigenen Sprachen und künstlerischen Ausdrucksformen.. Aber das ist wohl zu einfach. Die Geschichte Chinas ist eine völlig andere. So lässt sich einfacher von einer „chinesischen Kultur“ sprechen. Du bietest einen tiefen Einblick in die Kulturen Südafrikas. Faszinierend finde ich, dass sich letztlich fremde Völker wie die Inder oder Chinesen auch nach mehr als 100 Jahren in Südafrika ihre Kultur erhalten haben.
    Herzlichen Dank für Deinen Artikel, der mich zum Nachdenken gebracht hat!
    LG
    Ulrike

    • Genuss Touren sagt:

      Vielen Dank, Ulrike. Es freut mich sehr, dass Dich der Artikel zum Nachdenken angeregt hat. Den Vergleich mit China finde ich sehr spannend. Ist es nicht interessant, wie bei einer in Ansätzen vergleichbaren Ausgangslage (Völkergruppen, Sprachen) sich doch zwei ganz unterschiedliche Arten von kulturellem Zusammenleben entwickeln?
      Viele Grüße
      Daniela

  • Tanja Praske sagt:

    Liebe Daniela,

    vielen herzlichen Dank für deinen schönen Beitrag zur Blogparade #KultDef! Ja, ich musste auch sofort an Ulrikes chinesische Definition von Kultur denken, als ich deinen Post las, und zwar einfach deshalb, weil ihr – und die anderen mittlerweile 16 Teilnehmer – ganz verschiedene Mosaiksteinchen zum großen KulturBild beigetragen habt – danke dafür!

    Gerade dein letzter Gedanke, das Trennende und Verbindende herauszustreichen, finde ich sehr wichtig. Ich habe mittlerweile Freunde, die jetzt in Südafrika arbeiten und dort „eingezäunt“ leben, also sehr trennend. Was sie am Ende mit den Menschen in Südafrika verbindet, interessiert mich sehr zu erfahren.

    Herzlich,
    Tanja

    • Genuss Touren sagt:

      Liebe Tanja,

      Deine Parade entwickelt sich wirklich sehr vielschichtig! Ich bin sehr gespannt, welche anderen Kulturkreise noch hinzukommen werden.

      „Zäune“ – ein großes Thema in Südafrika und für uns Europäer nur schwer vorstellbar. Um so erstaunlicher finde ich es, wie viele Menschen diese Zäune zumindest mental abbauen und sich neuen Kulturen öffnen.

      Viele Grüße

      Daniela

  • Nadine sagt:

    Liebe Daniela, gerade habe ich entdeckt, dass du ebenfalls an der Blogparade von Tanja teilgenommen hast. Toll. Einen Begriff, den du nutzt, finde ich ganz wichtig – „lebendig“. „Kultur ist für mich … lebendig“, das war nämlich mein allererster Gedanke, bevor ich meinen eigenen/anderen Beitrag schrieb.
    Gerade dort, wo ein kulturelles Erbe vermittelt werden soll, ist es für mich essenziell, dass das auf eine „lebendige“ Art geschieht. Insbesondere in Museumsdörfern etc. ist mir das häufig zu angestaubt und nur geschichtlich aufbereitet oder auch seltsam losgelöst kommerziell/touristisch vermarktet. Spannend finde ich immer, im Alltag (bzw. auch auf Reisen) die Frage nach dem „Warum“ zu stellen und dann auf Elemente zu treffen, die tatsächlich noch von Generation zu Generation überliefert werden.
    Mit deinem Beitrag erinnerst du mich auch daran, dass ich nach meinem ersten Urlaub in Südafrika sagte: Ich muss unbedingt zurückkehren und noch mehr sehen. Danke dafür. 😉
    Viele Grüße, Nadine

    • Genuss Touren sagt:

      Liebe Nadine,

      Deine Überlegungen zu den Kulturdörfern kann ich sehr gut verstehen. Ich hatte bei Besuchen von Masasi-Dörfern auch Magengrummeln… Was ich an den Kulturdörfern in Südafrika wichtig finde, ist das hier eine fast schon verschüttete Kultur wieder zum Leben erweckt wurde bzw. erhalten wird. Ganz erstaunlich ist z.B. die Geschichte von Esther Mahlangu, deren Werke in einem Kulturdorf entdeckt wurden und nun eine internatinoal bekannte Künstlerin ist, die ihr Erbe in die Welt trägt.

      Und ja – unbedingt wieder nach Südafrika reisen :-).

      Viele Grüße
      Daniela

  • Marlene sagt:

    Liebe Daniela,
    danke für den interessanten Einblick in die südafrikanischen Kulturen, ein wirklich spannendes Thema. Zum zweiten Mal in letzter Zeit bin ich dabei über den Ausdruck „Weißer Elefant“ gestoßen, langsam verstehe ich die Bedeutung. Ein weißer Elefant ist etwas, was aus der Maße heraussticht – etwas Besonderes, aber ein Außenseiter-oder?
    Viele Grüße,
    Marlene

    • Genuss Touren sagt:

      Liebe Marlene,

      ganz lieben Dank für Deinen Kommentar. Beim „Weißen Elefant“ überwiegt leider, zumindest in diesem Zusammenhang, der Außenseiter. Das Stadium ist, so schön es auch ist, ein Fremdkörper. Green Point ist ein weißes Viertel. Die Schwarzen, die vor allem Fußball schauen, leben noch immer dominierend in anderen Regionen. Sie kommen nur schwer dorthin, weil der öffentliche Verkehr noch recht unterentwickelt ist. Es gibt eine Buslinie, aber die ist für viele zu teuer. So steht das Stadium über weite Strecken ungenutzt da.

      Viele Grüße
      Daniela

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