
Jambo Bukoba – Interview mit Clemens Mulokozi
Ein Mann, der seinen gut dotierten Job in München aufgibt um eine Hilfsorganisation für Tansania zu gründen? Die Geschichte von Clemens Mulokozi hat mich so beeindruckt, dass ich ihn um ein Interview gebeten habe, um mehr über ihn und seinen Verein „Jambo Bukoba“ zu erfahren.
Clemens, wie bist Du auf die Idee gekommen, eine Hilfsorganisation für Tansania zu gründen?
Das ist eine sehr lange Geschichte, aber um es abzukürzen: ich habe als Kind selbst erlebt, wie schwierig die Situation für Kinder in Tansania ist, insbesondere auf dem Land. Dabei hatte ich das Glück, in der Großstadt Daressalam zu leben. Allerdings besuchte ich in den Ferien oft meine Großeltern im Nord-Westen Tansanias, am Victoria See. Hier lebt der größte Teil der Menschen bis heute in extremer Armut.
Ich fühlte mich damals bereits, und heute noch viel mehr, privilegiert. Mein tansanischer Vater war Chemie Professor an der Universität, meine deutsche Mutter Kindergärtnerin. Ich konnte in Deutschland mein Abitur machen, studierte und hatte danach tolle Jobs.
Durch die Beschäftigung mit meinen tansanischen Wurzeln nach dem Tod meines Vaters, wurde mir schmerzlich bewusst, dass den Kindern im Dorf meiner Großeltern all die Chancen im Leben, die ich hatte, verwehrt bleiben, weil ihnen bereits im Grundschulalter gute Bildung, Gesundheit und Chancengleichheit fehlen.
Deshalb habe ich vor 10 Jahren eine Hilfsorganisation für die Kinder dieser Region gegründet.
Du warst ein erfolgreicher Manager in München. Warum hast Du den Job aufgegeben, um Dich ganz Deinem Herzensprojekt zu widmen? Du hättest doch sicherlich auch ehrenamtlich viel erreichen können?
Ich gab meinen Job wirklich schweren Herzens auf.
In den ersten sechs Jahren von Jambo Bukoba e. V. investierte ich jede freie Minute: ich führte Skype Calls in der Früh um fünf Uhr mit tansanischen Mitarbeitern, beantwortete nachts E-Mails und verbrachte fast jedes Wochenende und jeden Urlaub mit Jambo Bukoba-Themen. Auf Dauer leidet die Familie, die Gesundheit und der Job. Auf der anderen Seite wurde mir von den Betroffenen vor Ort und von externen Experten immer stärker versichert, wie wichtig unsere Projekte sind und welch große Wirkung wir damit erzielen.
Damals stellte ich mir die Fragen „Was ist mir im Leben wirklich wichtig?“ und „Was könnten wir alles bewirken, wenn wir eine Vollzeitkraft hätten?“ Beispielsweise tagsüber ein Gespräch mit einem potenziellen Spender führen, der in der Regel abends, nachts oder an den Wochenenden nicht erreichbar ist.
Eine Vollzeitkraft konnten wir uns aber zum damaligen Zeitpunkt nicht leisten. Deshalb habe ich diese Funktion in den ersten Jahren komplett ehrenamtlich übernommen.
Kannst Du in ein paar Worten die Grundidee von Jambo Bukoba erklären?
Wir von Jambo Bukoba glauben, dass mit Hilfe der Kraft des Sportes nicht nur Gesundheit, sondern auch Gleichberechtigung und Bildung von Kindern und Jugendlichen verbessert werden können. Deshalb haben wir gemeinsam mit der Deutschen Sporthochschule Köln ein spezielles pädagogisches Sportkonzept entwickelt, durch das nicht nur Sportunterricht in den Schulalltag integriert, sondern auch über HIV/AIDS aufgeklärt und Gleichberechtigung gefördert wird.

Die Schulen haben außerdem die Möglichkeit an Sportwettkämpfen teilzunehmen, bei der die Gewinnerschule ein Schulbauprojekt ihrer Wahl realisieren darf. So können wir auch die schulischen Rahmenbedingungen für die Kinder durch beispielsweise den Bau von Klassenzimmern und Toiletten verbessern. Besonders viel Wert legen wir dabei auf die Einbeziehung der Gemeinden, die sich immer zu 25% an den Projekten beteiligen.
Wie hast Du das Konzept entwickelt? Ihr geht ja einen ganz anderen Weg als das klassische „Brunnenbauen“ anderer Organisationen.
Leidenschaft und das Herz am rechten Fleck zu haben reichen nicht aus, um die hochkomplexen Probleme zu lösen, die seit Jahrzehnten bestehen. Deshalb war es für mich von Anfang an sehr wichtig, mit Experten zusammen zu arbeiten und die Menschen vor Ort in Tansania auf allen Ebenen bei der Entwicklung des Konzeptes mit am Tisch zu haben.
Die ersten Gespräche fanden beispielsweise statt mit dem tansanischen Botschafter in Berlin, der Regionalregierung vor Ort, einer lokalen Expertin für Familienthemen sowie SchülerInnen einer Berufsschule, die selbst Waisen waren aufgrund von HIV/ AIDS.
Aufgrund dieser Gespräche habe ich mich für ein sportbasiertes Engagement an Schulen entschieden.
Für die Konzeptentwicklung konnte ich die deutsche Sporthochschule Köln gewinnen, bei der man u.a. Sport für Entwicklung studieren kann. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitete neun Monate in Tansania an einer Grundlagenstudie, um anschließend gemeinsam mit Experten vor Ort das Konzept zu entwickeln und dieses mit Sportlehrern zu testen.
Mittlerweile arbeiten wir seit 10 Jahren erfolgreich mit diesem Konzept. Dabei sind mir Wirkung, Effizienz und Controlling extrem wichtig.
Auch die HypoVereinsbank hat uns vielfältig beraten und im Hinblick auf unser Spendenkonto und den Zahlungsverkehr stark unterstützt.
Wir sammeln in Deutschland Sportmaterial für die Schulen und Lehrer im Rahmen unseres Programmes, und sind dankbar dafür, dass wir die Deutsche Post DHL als Logistikpartner gewinnen konnten.
Vor zwei Jahren haben wir damit begonnen, Schulen mit Regenwassertanks auszurüsten. Dabei wurde uns bei Jambo Bukoba e. V. sehr schnell klar, dass Wassertanks bauen alleine nicht hilft. Das muss einhergehen mit Hygiene-Aufklärung.

Wenn man Mädchen stark machen möchte, muss man auch die Jungs integrieren und die Familie und die Gemeinschaft mit einbeziehen, ansonsten erzeugt man nur Konflikte. Bildung, Gesundheit und Gleichberechtigung sind ganz eng miteinander verwoben. Und Sport ist ein wunderbares Mittel um gezielt Kinder und Jugendliche anzusprechen und Themen wie Selbstbewusstsein, Team Spirit oder Kommunikation erlebnispädagogisch zu vermitteln.

Besonderen Wert legt ihr auf die Förderung von Mädchen. Welchen Grund hat das?
Mädchen werden in Tansania benachteiligt. Frauen schließen seltener die Schule ab, da beispielsweise ungewollte Schwangerschaften den Abschluss verhindern. Sie verpassen auch öfter den Unterricht, da es zu ihren Aufgaben gehört, Wasser für die Familie zu holen. Während ihrer Periode bleiben sie der Schule aufgrund von fehlender sanitärer Versorgung und Privatsphäre meistens fern. Es ist daher besonders wichtig, all diese Barrieren für Mädchen aus dem Weg zu räumen, damit sie dieselben Chancen auf ein erfolgreiches Leben haben, wie die Jungs. Um dieses Ziel zu erreichen bauen wir beispielsweise Menstrual Hygiene Räume an den Schulen, damit die Mädchen einen Rückzugsort zur hygienischen Versorgung während ihrer Periode haben.
Wie sahen die Anfangsjahre von Jambo Bukoba aus? Wie haben die Menschen vor Ort auf euer Konzept zur Hilfe reagiert?
Die Anfangsjahre waren sehr anstrengend. Dachte ich. Aber heute ist es noch intensiver (lacht).
Im Ernst: wir haben mit null Euro angefangen. Ich war Quereinsteiger und musste „nebenbei“, in 6000 km Entfernung, eine Organisation aufbauen und steuern. Es gab keinen Internetauftritt, keine Informationsmaterialien, keine vorzeigbaren Erfolge, nur eine Idee und wunderbare Menschen In meinem Umfeld, die mir vertrauten und an meine Idee glaubten.
Beflügelnd war von Beginn an der Zuspruch, den ich von den Menschen aus Tansania erfahren habe. Auf allen Ebenen. Und zwar nicht nur durch Worte, sondern insbesondere durch Taten.
Ich erinnere mich beispielsweise an mein erstes Meeting mit Vertretern der Regionalregierung. Damals hatte ich keinen Laptop. Ich wollte unbedingt am nächsten Morgen ein Protokoll zur Unterzeichnung vorlegen, damit etwas vorangeht. Ein Vertreter aus dem Wirtschaftsministerium borgte mir seinen Laptop über Nacht, traf sich in der Früh um sechs Uhr mit mir, um das Protokoll in die richtige Form zu bringen und am gleichen Abend war unser Memorandum of Understanding von allen wichtigen Ressorts unterzeichnet.
Zwei Tage später war ich wieder in München, an meinem Arbeitsplatz in der Bank, als ob ich nie weg gewesen wäre.
Was sind bis dahin eure größten Erfolge?
2015 zeichnete
Bundeskanzlerin Angela Merkel Jambo Bukoba e. V. als eine der besten deutschen
sozialen Organisationen aus. Dies hat unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter, unsere
Unterstützer und Spender, aber auch unser Team in Tansania enorm beflügelt.

2016 wurde ich persönlich als Ashoka Fellow ausgezeichnet. Ashoka ist eine internationale Stiftung, die seit 1980 soziales Unternehmertum weltweit fördert. Es gibt ca. 3000 Fellows, davon ca. 60 in Deutschland, und lediglich sieben in Tansania.
2017 belegten die Grundschulkinder unserer Region den dritten Platz aus insgesamt 26 Regionen in Tansania, bezogen auf die Abschlussnoten nach der Grundschule. Die Regionalregierung hat uns attestiert, dass Jambo Bukoba e. V. zu diesem Erfolg erheblich beigetragen hat.

Im selben Jahr stellten wir das erste Mal sauberes Trinkwasser für Grundschulkinder an acht Schulen zur Verfügung. Zu sehen, dass die Kinder in der afrikanischen Hitze bedenkenlos Wasser trinken können, wenn sie Durst haben, ist unbezahlbar.
2019 gewannen wir renommierte Vorstandsmitglieder für unsere Organisation in Tansania: den ehemaligen tansanischen Botschafter aus Berlin, eine tansanische Expertin, die 30 Jahre für die Vereinten Nationen tätig war, eine Anwältin die sich seit langem für Frauenrechte stark macht und es geschafft hat, dass das heiratsfähige Alter in Tansania von 13 auf 18 Jahre angehoben wurde, einen ehemaligen Ministerpräsidenten unserer Region sowie eine tansanische Expertin für Organisationsentwicklung, Personal und Unternehmertum.
Wir sind also gut aufgestellt, um künftig noch viel mehr für die Kinder und Jugendlichen in Tansania zu erreichen.
Welche Möglichkeiten gibt es, eure Arbeit zu unterstützen?
Mit einer klassischen Geldspende kann man bei Jambo Bukoba e. V. sehr viel bewirken. Im Gegensatz zu vielen anderen Hilfsorganisationen garantieren wir auch, dass 100% der Privatspenden für unsere Projektarbeit verwendet, und nicht für die Administration in Deutschland ausgegeben werden.
„Spenden statt Geschenke“ heißt es häufig bei runden Geburtstagen oder bei Firmenjubiläen. Dann freuen wir uns, wenn an Jambo Bukoba e. V. gedacht wird und wir mit größeren Spenden im Idealfall ein Klassenzimmer renovieren oder fertigstellen, oder sogar einen Regenwassertank errichten können.
Eine persönliche Empfehlung an Firmen und Unternehmen ist für uns Gold wert. Dort gibt es oft Programme, bei denen die Spenden der Mitarbeiter verdoppelt werden oder sogar Mitarbeiter dabei unterstützt werden, selbst vor Ort bei einem Hilfsprojekt Handanzulegen.
Es machen sich aber auch viele junge Menschen stark für ihre SchulkameradInnen in Afrika, bespielsweise mit einem Spendenlauf an der Schule oder mit einem Afrikaprojekt. Dann ist es toll, wenn Jambo Bukoba e. V. ins Spiel gebracht wird. Mitglieder (auch Firmen und Unternehmen) sind die Säule unserer Organisation. Mit Ihrem Mitgliedsbeitrag können wir langfristig planen und sicherstellen, dass größere Projekte zuverlässig realisiert werden können. Also freuen wir uns enorm über jedes neue Mitglied
Ohne das Engagement zahlreicher ehrenamtlicher MitarbeiterInnen wäre unsere Arbeit undenkbar. In unserem Münchner Büro in der Sonnenstraße freuen wir uns immer über Verstärkung. Mehr Informationen dazu findet man auf unserer Website. Aktuell benötigen wir insbesondere ehrenamtliche Unterstützung in den Bereichen IT, Datenbank-Pflege und Pressearbeit.
Seit 2019 bieten wir auch Learning Safaris an, mit dem Ziel, Menschen die Möglichkeit zu geben unsere Arbeit, die Situation der Kinder vor Ort und die Kultur hautnah selbst zu erfahren, und gleichzeitig mit den daraus erzielten Erträgen unsere Arbeit zu finanzieren.
Bei weiterem Interesse freuen wir uns über ein persönliches Gespräch.
Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, Clemens!