Lebendige Geschichte: Privatführung im Bayerischen Nationalmuseum

Barocker Luxus – die neue Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum – umfasst mehr als 1.600 Exponate. Statt von der Fülle erschlagen zu werden, wird bei einer Privatführung mit ihren Anekdoten und Erklärungen Geschichte lebendig. Und es zeigt sich, dass die Vergangenheit gar nicht so fern und fremd ist.

Für das Leben lernen: Elfenbeinsammlung

Elfenbeinsammlung Bayerisches Nationalmuseum

Er lächelt und lockt, der Kopf des Fabelwesens am Eingang der Elfenbeinsammlung. Er zieht in seinen Bann, genauso wie die filigranen Reliefs und riesigen Kombinationsfiguren von Simon Troger mit ihrer Wechselwirkung von exotischem Holz und schimmerndem Elfenbein.

Relief aus Elfenbein im Bayerischen Nationalmuseum

Elfenbeinfigur von Simon Troger

Fast schon einfach wirken dahingegen einige der gedrechselten Figuren und Pokale aus Elfenbein.

Drechselfiguren Elfenbein Bayerisches Nationalmuseum

Doch wie spannend ist ihre Entstehungsgeschichte. Denn einige der Drechselarbeiten stammen von Mietgliedern des Fürstenhofs selber. An der Drechselbank lernten die jungen Fürsten auf ganz praktische Weise das mechanistische Weltbild des Absolutismus kennen. Denn zur Herstellung eines Drechselstückes bedarf es Geduld, Technologie, mathematisch-geometrisches Verständnis und Planung. So gehörte das Arbeiten an programmgesteuerten Drechselbänken zur Ausbildung des jungen Adels. Ganz leise klingt da im Hinterkopf die noch immer gern zitierte Weisheit aller Eltern an „nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“.

Opfer für den Beruf bringen: Möbelsammlung

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine herausragende Fähigkeit, die Sie beruflich sehr erfolgreich macht. Doch ihr Glauben und Ihre Glaubensgemeinschaft verbieten Ihnen finanziellen Erfolg und wirtschaftliches Handeln. In dieser Zwickmühle befand sich David Röntgen. Gemeinsam mit seinem Vater Abraham Roentgen fertigte er in ihrer Werkstatt mit technischen Finessen und kunstvollen Verzierungen versehene Möbelstücke.

Sekretär David Roentgen

Sie waren die einzigen, die es mit den Manufakturen in Frankreich aufnehmen konnten. Die Höfe zwischen Paris und St. Petersburg rissen sich um ihre raffinierten Verwandlungstische und Holzintarsien, die die kompliziertesten Malereien nachbildeten.

Spieltisch David Roentgen

Röntgen war aber auch ein Mitglied der Herrenhuter, einer streng protestantischen Glaubensgemeinschaft. Sie lehnten Luxus und risikobehaftetes Wirtschaften, etwa Kreditaufnahme, ab. David war zwischen diesen beiden Polen hin- und hergerissen, folgte aber seiner beruflichen Passion. Seine Gemeinschaft schloss ihn aus. Für ihn ein unglaubliches Leiden, das erst mit dem wirtschaftlichen Untergang der Manufaktur gelöst werden konnte. Als er nicht mehr erfolgreich war, nahmen ihn die Herrenhuter wieder auf – und er konnte in Frieden sterben. Was er wohl dazu sagen würde, dass seine Möble heute auf Auktionen sechsstellige Summen erzielen?

Als „Exen“ noch erlaubt war: Silbersammlung

Jeder, der schon einmal in einem der größeren Zelte auf der Wiesn war, hat das Phänomen des „Exens“ gesehen. Meist junge Männer steigen auf eine Bank, trinken eine Maß in einem Zug leer – und werden postwendend von den Ordnern herausbegleitet. Ganz anders im Barock und Rokoko. Dort gehörten Trinkspiele und vor allem das auf Ex trinken zum guten Ton am Hof dazu. Dort gehörten Trinkspiele und vor allem das auf Ex trinken zum guten Ton am Hof dazu. Manche Pokale waren so gemacht, dass sie nur in einem geleert werden konnte, wie der Schiffspokal oder das Trinkgefäß in Form eines Ziegenbocks.

Silberne Trinkpokale Bayerisches Nationalmuseum

Vorläufer von Instagram: Porzellansammlung

Wer hat sie in einem Restaurant nicht schon beobachtet – die Menschen, die ihre Teller aufwändig fotografieren und sofort auf Instagram teilen. Präsentieren scheint vor Genießen zu kommen. Ein junges Phänomen? Nicht wenn man auf die höfischen Tafeln des 17. und 18. Jahrhunderts schaut.

Die Entdeckung des Porzellanherstellung in Deutschland ermöglichte es, kunstvolles Geschirr zu fertigen. Hatte man vorher Wildbraten wieder in die Decke gehüllt, Fasane wieder mit den eigenen Federn geschmückt, so wurden nun Schüssel hergestellt, die den Speisen täuschend ähnlich sahen. So zeigte man zu einem, was serviert wurde – edlen Spargel, Blumenkohl oder exotische Schildkrötensuppe – und zum anderen, welch luxuriöses Geschirr man sich leisten konnte.

Spargelterrine Bayerisches Nationalmuseum

Kohlschüssel Bayerisches Nationalmuseum

Schildkrötenterrine Bayerisches Nationalmuseum

Statussymbol Kleidung: Kostümsammlung

Zwischen der förmlichen Kleidung des Barock und unserem Jeans & T-Shirt Look scheinen Welten zu liegen.

Mieder Kleidersammlung Bayerisches Nationalmuseum

Die Kleidung war unbequem – vor allem für die Damen. Da wurde die Figur drakonisch geformt. Das Mieder aus Fischgrät und Eisen machte eine schmale Taille und zog die Schultern nach hinten, das Pannier schaffte eine ausladende Hüfte. Über diese künstliche Figur wurden die voluminösen Stoffmassen der Robe à la francaise drapiert.

Robe a la francaise Bayerisches Nationalmuseum

Doch hat sich so viel geändert? Denn eines haben die Designertaschen und die opulenten Kostüme gemeinsam – sie sind ein Statussymbol.

Bestickte Robe Bayerisches Nationalmuseum

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